Was ist die Kompetenzillusion

Das Phänomen der Kompetenzillusion, ebenfalls als Dunning-Kruger-Effekt bekannt, bezeichnet eine Situation, in der Individuen ihre eigenen Kompetenzen und Kenntnisse zu hoch einstufen. Es tritt auf, wenn ein überhöhtes Selbstbewusstsein die Möglichkeit zur introspektiven Selbstkritik überlagert, was zu einer verzerrten Wahrnehmung der eigenen Fähigkeiten führt und das Potenzial zum Lernen beeinträchtigen kann. Dieses Phänomen kann sich sowohl auf persönliche als auch auf berufliche Entscheidungsprozesse auswirken.

Zum Beispiel könnten Menschen, die dem Dunning-Kruger-Effekt zum Opfer fallen, aufgrund ihres überhöhten Selbstvertrauens Entscheidungen mit höherem Risiko treffen, als es angebracht wäre. Sie könnten der Ansicht sein, dass sie die Risiken, die mit einer bestimmten Aktion verbunden sind, effektiver bewerten oder handhaben können, als es ihrer tatsächlichen Kompetenz entspricht. Dies könnte zu persönlichen oder beruflichen Misserfolgen führen, wenn die Risiken nicht korrekt gehandhabt werden.

Ursachen und Mechanismen

Die Kompetenzillusion ist ein facettenreiches Phänomen, das von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst und durch deren Interaktion verstärkt wird. Dazu zählen die Tendenz zur Erfolgsattribution, die Neigung zur Übergeneralisierung, die Einflüsse begrenzten Fachwissens, sowie die Wirkung kognitiver Verzerrungen wie dem Optimismus Bias und dem Bestätigungsfehler / Confirmation Bias.

  • Erfolgsattribution: Menschen mit einem hohen Selbstwertgefühl neigen dazu, Erfolge ihren eigenen Fähigkeiten zuzuschreiben und Misserfolge auf äußere Umstände zu schieben. Diese Verzerrung dient dazu, das sehr positive Selbstbild weiter zu stärken oder aufrechtzuerhalten. Man könnte auch sagen, sie dient dem Selbstschutz, indem sie u.a. das Gefühl von Kontrolle vermittelt.

  • Übergeneralisierung: Menschen, die in einem bestimmten Bereich erfolgreich sind, neigen dazu zu glauben, dass ihre speziellen Fähigkeiten auch in anderen Bereichen anwendbar sind. Ein erfolgreicher Softwareentwickler könnte beispielsweise davon überzeugt sein, dass er auch im Netzwerkmanagement oder in der Datenbankadministration erfolgreich sein wird, obwohl dies nicht zwangsläufig der Fall sein muss.

  • Geringes Wissen: Menschen neigen dazu, ihre Fähigkeiten und Kompetenzen im Vergleich zu anderen übermäßig positiv zu bewerten und zu überschätzen. Interessanterweise zeigen Studien, dass die Selbstüberschätzung am stärksten ist, wenn das vorhandene Wissen und die Kompetenz gering sind. Es mag paradox klingen, doch sie überschätzen sich, weil sie die Komplexität des Aufgabenbereichs oder die erforderlichen Fähigkeiten nicht vollständig erfassen und verstehen. Dies kann sich auch auf die Übergeneralisierung auswirken.

    Ein Beispiel hierfür wäre jemand, der nur grundlegende Kenntnisse in KI oder Data Science besitzt und glaubt, ein Experte zu sein, weil er einige Grundprinzipien versteht. Gleichzeitig unterschätzt er damit echte Experten und deren Fähigkeiten, da er das tiefere Wissen und Verständnis, das diese Experten besitzen, nicht anerkennt.

    Ein weiterer damit verbundener Punkt ist der Mangel an Metakognition, also das Nachdenken über das eigene Denken. Menschen, die sich ihrer eigenen Denkprozesse nicht bewusst sind, neigen dazu, ihre Fähigkeiten falsch einzuschätzen. Eine Studie aus dem Jahr 2017 hat jedoch herausgefunden, dass Menschen mit einem hohen Grad an metakognitivem Bewusstsein ihre Fähigkeiten genauer einschätzen können.

  • Metakognition: Ein weiterer zentraler Faktor, der sich auf die Kompetenzillusion auswirkt, ist der Mangel an Metakognition. Hiermit ist das fehlende Nachdenken über das eigene Denken gemeint, das „Denken über das Denken“. Menschen, die sich ihrer eigenen Denkprozesse nicht bewusst sind, neigen dazu, ihre Fähigkeiten falsch einzuschätzen. Eine Studie aus dem Jahr 2017 hat jedoch herausgefunden, dass Menschen mit einem hohen Grad an metakognitivem Bewusstsein ihre Fähigkeiten genauer einschätzen können. Die Ursachen für ein fehlendes Bewusstsein können unter anderem in der eigenen Vergangenheit liegen, was Kindheit, Erziehung und Bildung umfasst. Aber auch persönliche Erfahrungen und das Umfeld wirken sich darauf aus, ebenso wie auch genetische, neurobiologische und kognitive Faktoren.

  • Vergangenheitsanker und kognitive Verzerrungen: Der fünfte und letzte Punkt ist, dass Menschen, die in der Vergangenheit erfolgreich waren, oft glauben, dass sie auch in der Zukunft erfolgreich sein werden – selbst wenn sich der inhaltliche Kontext und die Rahmenbedingungen völlig verändert haben. Dies kann zu übermäßiger Selbstsicherheit führen und die Wahrscheinlichkeit einer Kompetenzillusion erhöhen. Eine Studie aus dem Jahr 2015 hat gezeigt, dass Erfolg den Optimismus-Bias auslöst, also eine Tendenz, die Wahrscheinlichkeit positiver Ereignisse aufgrund der eigenen Kompetenzen und Fähigkeiten zu überschätzen. Diese Überschätzung kann als Mechanismus zur Aufrechterhaltung des Selbstwertgefühls und zur Abwehr von Bedrohungen des Selbstbildes dienen.

    Dieser Aspekt der Kompetenzillusion ist also eng mit den Konzepten des „Optimismus-Bias“ und „Bestätigungs-Bias“ verknüpft. Der Optimismus-Bias ist die Tendenz, übermäßig positiv über die Zukunft zu denken und zu glauben, dass positive Ereignisse wahrscheinlicher sind als negative. Der Bestätigungs-Bias hingegen ist die Tendenz, Informationen zu suchen oder zu interpretieren, die unsere bereits bestehenden Überzeugungen oder Hypothesen bestätigen, während Informationen, die diesen widersprechen, ignoriert oder herabgewertet werden.