Die „Schuld“ für schlechte und toxische Führungskräfte ist nicht nur in der Person der Führungskraft zu suchen. Die Organisation selbst trägt häufig eine Teilschuld daran, dass Führungskräfte Mitarbeitern und dem ganzen Unternehmen schaden. Ursachen sind häufig ein tradiertes Verständnis von Mitarbeiterführung, falsche oder fehlende Einstellungsprozesse und -kriterien, sowie ein fehlender Code of Conduct.

Maßnahmen gegen schlechte Führung: Kurzüberblick

  • Team / Mitarbeiter in den Auswahlprozess von Führungskräfte mit einbinden.

  • Persönlichkeitsdiagnostische Verfahren zur Beurteilung der Führungskraft noch vor der Einstellung nutzen.

  • Verhaltenskodex / Code of Conduct erstellen, der für Führungskräfte eine Verhaltensorientierung darstellt, und anhand dessen sich Verstöße und schlechte Führung besser identifizieren lässt.

  • 360 Grad Feedbacks ermöglichen es, dass mögliche Führungsprobleme für das Senior Management transparent gemacht werden.

Auswahlprozess

In vielen Unternehmen werden Führungskräfte nur unzureichend, oder überhaupt nicht auf ihre Eignung für die entsprechende Stelle überprüft. Wie kann es sein, dass die Auswahl von Führungskräften häufig derart fahrlässig ist? Die Gründe hierfür sind vielfältig. Häufig aber liegt es daran, dass die HR Abteilung und das Senior Management (selbstverständlich) keine oder wenig Ahnung von dem jeweiligen Bereich haben können, für die eine Führungskraft gesucht wird.

Häufige Fehler bei der Auswahl von Führungskräften:

  • Führungskraft durch Betriebszugehörigkeit: In vielen Unternehmen ergibt sich ein Recht auf Beförderung allein durch die Dauer der Betriebszugehörigkeit – gleichgültig ob eine Eignung vorliegt.

  • Führungskraft durch Titel: Ebenso werden auch akademische Titel, wie der „Dr.“, häufig fataler Weise synonym als Siegel für Führungskompetenz betrachtet. Aber was sagen viele Jahre des wissenschaftlichen Arbeitens, in denen sich der Doktorand allein auf sich und sein Thema konzentriert, über die Führungskompetenz aus?

  • Einmal Führungskraft, immer Führungskraft: Ein weiterer häufig zu beobachtender Umstand ist, dass jemand, der einmal Führungskraft war, sehr einfach auch neue Führungspositionen erhält. Die tatsächliche persönliche und fachliche Eignung spielt dann nur noch eine untergeordnete Rolle. Und genau das ist der Grund, warum es in Unternehmen viele Führungskräfte gibt, die eigentlich keinerlei fachliche Erfahrung für ihren neuen Bereich mitbringen. Und je weiter eine Führungskraft in für sich unbekannte Gewässer aufbricht, desto größer wird je nach Persönlichkeit die Gefahr, dass sich die Führungskraft durch Experten innerhalb des Teams angreifbar fühlt. Destruktive Führung ist dann schnell die logische Konsequenz. Kurz: Der Auswahlprozess von Führungskräften stützt sich all zu häufig auf triviale Faktoren.

Was bei der Auswahl von Führungskräften zu beachten ist

  • Team in Auswahlprozess mit einbinden: Das Team / die Abteilung muss befragt werden, welche Anforderungen sie an eine neue Führungskraft hat. In einer Zeit, in denen sich aufgrund der Digitalisierung die einzelnen Fachbereiche derart ausdifferenzieren, müssen die Mitarbeiter in den Auswahlprozess des Vorgesetzten mit einbezogen werden. Führung ist nicht mehr ein Synonym für Hierarchie, in der die „kleinen unterwürfigen“ Mitarbeiter von ihren Vorgesetzten abhängig sind. Vielmehr sind Führungskräfte durch Dynamiken, Ausdifferenzierungen und Spezialisierungen von ihren Mitarbeitern / Experten abhängig.

    Zumindest die Anforderungen und Wünsche sollten mit aufgenommen werden, die von den Mitarbeitern an eine neue Führungskraft gestellt werden. Ja, dieser Weg ist ungewöhnlich und bricht mit den bisherigen Auswahlroutinen und auch Denkweisen in den allermeisten Unternehmen. Aber genau dieses Festhalten an Denkmustern und Routinen führt dazu, dass in Zeiten steigender Komplexität, fachlicher Ausdifferenzierungen und Dynamiken, schlechte Mitarbeiterführung für das Unternehmen mit steigenden negativen Konsequenzen einhergeht.

  • Eignung der Persönlichkeit untersuchen: Nicht nur hinsichtlich der gesammelten Anforderungen sollte eine Führungskraft ausgesucht werden, sondern auch hinsichtlich der Persönlichkeitseigenschaften. Hierfür gibt es einige sehr gute wissenschaftliche Tools / Fragebögen, wie zum Beispiel den Big Five Persönlichkeitstest (B5T), das Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung (BIP) oder der Myers Briggs Typenindikator (MBTI).

    Solche Tests sollten unbedingt ausschließlich von Experten im Bereich der Persönlichkeitsdiagnostik durchgeführt werden. Denn einerseits sind solche Verfahren nur eine Komponente des Analyse- und Auswahlprozesses und müssen im Zusammenhang mit anderen Maßnahmen betrachtet werden. Zum anderen können fehlerhafte Durchführungen und Auswertungen zu falschen Interpretationen der Ergebnisse führen.

Code of Conduct

Führungskräfte werden eingestellt, ohne dass ihnen die eigentliche Aufgabe des Führens verdeutlicht wird, nämlich das Befähigen, Motivieren und Unterstützen der einzelnen Mitarbeiter. Aus diesem Grund sollte ein Unternehmen auch für seine Führungskräfte einen Code of Conduct erstellen, der als Verhaltenskodex alle Richtlinien und Anforderungen an seine Führungskräfte enthält. Ein Code of Conduct hat folgende Vorteile:

  • Auch wenn der Code of Conduct „nur“ ein Verhaltenskodex ist, so dient er den Führungskräften dennoch als Orientierung. Er verdeutlicht, dass dem Unternehmen gewisse Verhaltensweisen wichtig sind, wodurch die Schwelle eines Zuwiderhandelns steigt.

  • Eine offizielle Formulierung des Verhaltenskodex erleichtert es entsprechendes Fehlverhalten genauer zu überprüfen, bspw. in Form offizieller Mitarbeiterbefragungen und anderer Feedback-Instrumente, und es auch zu sanktionieren.

  • Schulungen, Trainings, Workshops und Feedbacks für die Führungskräfte können gezielt am definierten Verhaltenskodex ausgerichtet werden.

360 Grad Feedbacks

360 Grad Feedbacks dienen dazu, dass Mitarbeiter ihre Vorgesetzten bewerten können.

Hierbei gibt es allerdings einige wichtige Aspekte zu betrachten:

  • Häufigkeit der Umfrage: In den meisten Fällen werden 360 Grad Feedbacks einmal im Jahr angewandt. Das bedeutet, dass ein Team oder eine Abteilung ein ganzes Jahr lang leidet, verunsichert, demotiviert und destabilisiert wird, ehe ein 360 Grad Feedback überhaupt Probleme erfassen und an die Oberfläche bringen kann. Selbst wenn Probleme mit der Führungskraft identifiziert werden, führt das in den allermeisten Fällen zu keinen ernsthaften Veränderungen. Vielleicht gibt es ein Gespräch zwischen Führungskraft und Senior Management, oder vielleicht muss die Führungskraft an einem dreitägigen Führungsseminar teilnahmen. Aber all zu häufig kompensieren einige leistungsfähige Mitarbeiter aus Team oder Abteilung das Versagen ihrer Führungskraft, so dass der Handlungsdruck auf dem ersten Blick für das Senior Management nicht all zu groß erscheint. Und schon wird der Führungskraft ein weiteres Jahr gegeben, in dem das Team oder die Abteilung weiter an Motivation, Zusammenhalt und Effizienz verliert.

  • Einbindung des Senior Managements: Die Auswertungen des 360 Grad Feedbacks erhalten in vielen Unternehmen ausschließlich die betroffenen Führungskräfte selbst, nicht aber das Senior Management. Somit wird der Führungskraft indirekt der Wille und die Fähigkeit zur Selbstreflexion und Selbstkritik unterstellt. In den meisten Fällen ist aber gerade der fehlende Wille und die fehlende Fähigkeit der kritischen Selbstreflexion und Selbstkritik ein wesentlicher Teil des Problems.

  • Bereitschaft zu handeln: Einhergehend mit dem vorherigen Punkt muss beim Senior Management die Bereitschaft vorhanden sein, die Ergebnisse aus den 360 Grad Fragebögen auch in entsprechende Handlungsmaßnahmen umzusetzen.

Reward Systeme

Reward Systeme und Programme werden zu selten bei Führungskräften eingesetzt, diese sind aber sehr zu empfehlen um gutes Führungsverhalten zu belohnen. Es ist sinnvoll, dass ein solches Reward System an den Verhaltensrichtlinien des Code of Conduct orientiert. In ein Punktesystem übersetzt, können mit Hilfe regelmäßiger Feedback-Fragebögen und Gespräche der positive Grad der Führungskompetenz überprüft werden.