Du hast es wahrscheinlich schon erlebt: Du hast deiner Führungskraft mehrere Ideen oder Verbesserungsvorschläge zu Problemen unterbreitet, die einfach ignoriert werden. Und das,  während möglicherweise externe Berater die volle Aufmerksamkeit bekommen. Ganz getreu der Redewendung: “Der Prophet im eigenen Land ist nichts wert”. Welche Gründe können dahinter stehen?

Labeling von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen

Wenn wir Meinungen und Überzeugungen haben, vergleichen wir diese tendenziell mit solchen, die uns ähnlich sind, bzw. die ähnliche Eigenschaften oder Labels haben →.  Also, wenn ein Manager oder eine Führungskraft bspw. gelernter BWL ist, extrovertiert, und eher dem traditionalistischem Milieu zuzuordnen ist, vergleicht er seine Überzeugungen eher mit solchen, die ähnliche Eigenschaften. Es bekommen diejenigen mehr Aufmerksamkeit, die dem Eigenschaftsprofil der Führungskraft mehr entsprechen.

Das liegt auch daran, dass Menschen grundsätzlich nach Stabilität und Orientierung streben, und daher Mitarbeiter, mit einem ähnlichen Eigenschaftsprofil, mehr dem eigenen Stabilitätsstreben dienlich sind. Das geht dann aber zu Lasten der Diversität bzw. Perspektivenvielfalt, und fördert die Gefahr des Confirmation Bias, d.h.nur solche Informationen werden interpretiert, die unseren eigenen Meinungen entsprechen.

Dieser “Eigenschaftsabgleich” hat Einfluss darauf, ob Ideen und Vorschläge von Mitarbeitern ignoriert werden oder nicht. Passt das Eigenschaftsprofil nicht zur Führungskraft, wird das Vertrauen in Vorschläge unabhängig von der Expertise oder inhaltlichen Aspekten reduziert. Es kann zu einer egozentrischen Diskontierung kommen. Ein sperriger Begriff, der besagt, dass die eigene Meinung übergewichtet, während die Meinung anderer abgewertet wird. Studien belegen, dass  die eigene Meinung im Durchschnitt zweimal höher gewertet wird als die Meinung anderer.

Machtgefühl, Optimismus und Vertrauen

Mitentscheidend dafür, ob Mitarbeiter gehört oder ignoriert werden, ist auch das Machtgefühl, das Führungskräfte für sich unterschiedlich stark ausgeprägt wahrnehmen. Studien zeigen, dass Macht ein Gefühl von Kontrolle und Optimismus hervorruft. Das eigene Verhalten, Entscheidungen, Ideen, werden durch diesen Optimismus als weniger riskant wahrgenommen, aber als umso wertvoller, als sie tatsächlich sind. 

Und das kann dazu führen, dass kritische Hinweise, Vorschläge von Mitarbeitern als weniger wertvoll wahrgenommen und letztlich ignoriert werden. Ist das Machtgefühl besonders stark ausgeprägt, stehen die potenziellen Vorteile des eigenen Verhaltens oder der eigenen Entscheidungen absolut im Fokus, während die Nachteile, Probleme oder Risiken ignoriert werden. Solche Führungskräfte erwarten also, dass ungewisse Ereignisse schon zu ihren Gunsten ausgehen werden. 

Das Gefühl von Optimismus und Kontrolle führt dann letztlich auch dazu, dass Führungskräfte mit einem hohen Machtgefühl ein hohes Vertrauen in die eigenen Meinungen, Fähigkeiten und Perspektiven haben. Die Meinung anderer ist daher – aus ihrer Sicht – nicht so wichtig und kann dementsprechend ignoriert werden.

Darüber hinaus fanden Dalal und Bonaccio (2010) heraus, dass bei Menschen mit hohem Machtgefühl die Motivation, die Autonomie zu bewahren, verstärkt wird, wenn Ratschläge unaufgefordert erteilt werden. 

Andersrum ist es jedenfalls so, dass eine Führungskraft mit einem geringeren Machtgefühl, ein relativ geringeres Gefühl des Optimismus, der Kontrolle und des Selbstvertrauens aufweisen, und somit wesentlich offener für Meinungen, Ideen und Vorschläge sind – und diese somit dann auch weniger ignorieren. 

Das Erleben von Macht, nicht nur im unternehmerischen Kontext, ist also ein wesentlicher Faktor der miteintscheident dafür ist, ob Ideen, Meinungen oder Vorschläge von Führungskräften ignoriert werden, oder nicht. Da gibt es auch eine Vielzahl von wissenschaftlichen Arbeiten die zeigen dass die Erfahrung von Macht Menschen dazu veranlasst, unabhängiger von anderen zu handeln (Galinsky, Magee, Gruenfeld, Whitson, & Liljenquist, 2008) und sich nicht von den Meinungen und Perspektiven anderer beeinflussen zu lassen (Brinol, Petty, Valle, Rucker, & Becerra, 2007), wodurch die Genauigkeit ihrer Urteile verringert wird (Morrison, Rothman, & Soll, 2011).

Erfahrung

Ein letzter Punkt ist, dass Menschen Ratschläge, die sie von erfahrenen Beratern erhalten, in der Regel stärker gewichten als Ratschläge von Beratern mit weniger Erfahrung (Feng und Mac George, 2006, Yaniv und Milyavsky, 2007). Dies ist nur insofern problematisch, da Erfahrung mit eingefahrenen Denkmustern einhergehen kann. Wenn sich die Begebenheiten aber verändern durch die sich Denkmuster erst überhaupt bilden konnten, sind Denkmuster, wenn sie zu starr sind, mit großen Risiken verbunden.

Quellen

  • Briñol, P., Petty, R. E., Valle, C., Rucker, D. D., & Becerra, A. (2007). The effects of message recipients‘ power before and after persuasion: A self-validation analysis. Journal of Personality and Social Psychology, 93(6), 1040–1053.

  • Dalal, R. S., & Bonaccio, S. (2010). What types of advice do decision-makers prefer? Organizational Behavior and Human Decision Processes, 112(1), 11–23.

  • Feng, B., & MacGeorge, E. L. (2006). Predicting receptiveness to advice: Characteristics of the problem, the advice-giver, and the recipient. Southern Communication Journal, 71(1), 67–85.

  • Galinsky, A. D., Magee, J. C., Gruenfeld, D. H, Whitson, J. A., & Liljenquist, K. A. (2008). Power reduces the press of the situation: Implications for creativity, conformity, and dissonance. Journal of Personality and Social Psychology, 95(6), 1450–1466.

  • See, K. E., Morrison, E. W., Rothman, N. B., & Soll, J. B. (2011). The detrimental effects of power on confidence, advice taking, and accuracy. Organizational Behavior and Human Decision Processes, 116(2), 272–285.

  • Yaniv, I., & Milyavsky, M. (2007). Using advice from multiple sources to revise and improve judgments. Organizational Behavior and Human Decision Processes, 103(1), 104–120.