Die Frage der Entscheidungsfindung ist Gegenstand verschiedener Disziplinen wie Psychologie, Philosophie, Recht, Betriebswirtschaft, Biologie, Mathematik oder Informatik. Jede Disziplin hat ihre eigenen Methoden, um die menschliche Entscheidungsfindung zu untersuchen und gültige Schlussfolgerungen zu ziehen.

Entscheidungen werden oft in strukturierte und unstrukturierte Entscheidungen unterschieden (Osmani, 2016). Strukturierte Entscheidungen wiederholen sich und treten regelmäßig auf. Zudem sind bei strukturierten Entscheidungen die Probleme und Ziele klar definiert und die Prozesse zur Erreichung der besten oder einer ausreichend guten Lösung mehr oder weniger bekannt. Ein Beispiel für einen strukturierten Entscheidungsprozess sind beispielsweise Personalauswahlverfahren.

Unstrukturierte Entscheidungen hingegen basieren auf komplexen Problemen, die das konkrete definieren von Zielen und das einschätzen von Alternativen und Konsequenzen erschweren. Ein Beispiel für unstrukturierte Entscheidungen ist die digitale Transformation in Unternehmen. Zum einen betrifft die digitale Transformation die unterschiedlichsten Ebenen eines Unternehmens (u.a. Technik, Strategie, Führung, Unternehmensstruktur, Prozesse, Unternehmenskultur). Zum anderen ist die digitale Transformation eines Unternehmens im Gesamtkontext zum Markt zu sehen, was das agieren der Wettbewerber beinhaltet. Ein weiterer wesentlicher Punkt ist, dass es für unternehmerische Entscheidungen im Zuge der digitalen Transformation in der Regel keine wesentlichen Erfahrungswerte gibt, die im Rahmen des Entscheidungsfindungsprozesses als Orientierung dienen könnten.

Entscheidend ist somit, dass das Problem genauestens in all seiner Komplexität erfasst und definiert wird.

“Wenn ich eine Stunde Zeit hätte, um die Welt zu retten, würde ich 55 Minuten dafür verwenden das Problem zu definieren und nur 5 Minuten, um Lösungen zu finden“

Albert Einstein

Der Entscheidungsfindungsprozess

Der Entscheidungsprozess besteht aus mehreren Stufen. Der Nobelpreisträger Simon (1959) unterscheidet zwischen den vier folgenden, allgemein anerkannten Phasen:

  • Phase 1: Aufklärungsphase (Problem erkennen, verstehen und definieren)

    • Daten und Informationen sammeln.
    • Umfeld analysieren.
    • Experten einbinden.
    • Ziele und Bewertungskriterien definieren.
  • Phase 2: Entwurfsphase

    • Identifizierung möglicher Alternativen.
    • Analyse der unterschiedlichen Alternativen und Vorgehensweisen
    • Bewertung der unterschiedlichen Alternativen und Vorgehensweisen (hierfür wurden in der Aufklärungsphase die Bewertungskriterien definiert und festgelegt).
    • Weitere alternative Ansätze oder Lösungen für das Problem entwerfen, entwickeln und analysieren.
  • Phase 3: Auswahl

    • Auswahl der am geeignetsten Alternative (kann auch eine Kombination aus den unterschiedlichen Alternativen sein).
  • Phase 4: Implementierungs- / Überwachungsphase

    • Umsetzung der Entscheidung.
    • Monitoring der Entscheidung (entsprechen die Ergebnisse und Entwicklungen den gesetzten Zielen, Erwartungen und Planungen?).

Tritt eine Diskrepanz zwischen den Phasen auf, kann der Entscheidungsträger jederzeit zur vorherigen Phase zurückkehren.

Bei einem Gruppenentscheidungsprozess kann man zwischen den vier Phasen "Untersuchung", "Design", "Auswahl" und "Umsetzung" unterscheiden.

Vor- und Nachteile von Gruppenentscheidungen

Manager, Führungskräfte und Mitarbeiter werden täglich mit Problemen konfrontiert. Das können beispielsweise Investitionsentscheidungen sein, Budget bezogene Fragen oder zu klärende Streitigkeiten. All diese Probleme haben folgendes gemeinsam: Eine Person / ein Unternehmen ist unzufrieden und empfindet ihre Situation als Problem. Unzufriedenheit resultiert aus der Diskrepanz zwischen der aktuellen Situation und dem angestrebten Zustand, der eine akzeptable Lösung darstellt.

Der Entscheidungsstil reicht von individuellen bis zu Gruppenentscheidungen, von autoritären bis zu stark partizipativen Stilen. Um Entscheidungen von guter Qualität mit hoher Identifikation der Mitarbeiter zu treffen, ist die Einbeziehung der Gruppe erforderlich.

Qualität bedeutet:

  • Ist die Problemdefinition erfolgreich?
  • Sind genügend Informationen vorhanden?
  • Gibt es ein Bewusstsein und Verständnis für die Bedeutung der Informationen, für die aktuelle Situation, für das Problem und für die Zielsetzung ?

Vorteile von Gruppenentscheidungen

  • Die Verarbeitung komplexer Informationen ist möglich.

  • Die Berücksichtigung unterschiedlicher Perspektiven ist möglich, demokratische Lösungen sind wahrscheinlicher.

  • Möglichkeit vielfältigerer Perspektiven und damit einer ganzheitlicheren oder kreativeren Bewertung der Situation.

  • Risikotoleranz kann vorteilhaft sein.

  • Die Akzeptanz der Entscheidung ist größer.

Nachteile von Gruppenentscheidungen

  • Der Zeitaufwand kann höher sein.

  • Eine Dominanz von einer oder wenigen Personen ist möglich.

  • Konformitätsdruck, Gruppendenkphänomene (Gruppenmitglieder vernachlässigen die kritische Prüfung von Optionen zugunsten eines positiven Gruppenklimas und eines starken Zusammengehörigkeitsgefühls im Entscheidungsprozess).

  • Die Risikotoleranz kann extrem sein.

  • Diversifizierung der Verantwortung.

Warum sich nicht jeder Mitarbeiter bei der Gruppenentscheidungsfindung mit einbringt

Die Vorstellung, dass jeder an der Entscheidungsfindung teilhaben will, ist eine Illusion. Dafür gibt es mehrere Gründe:

  1. Cognitive Loafing („Kognitive Faulheit“): Individuen in Gruppen entwickeln oft nicht ihre eigenen Ideen, sondern verlassen sich auf die anderen, oder sie folgen den Ideen (kognitives Faulenzen) oder haben überhaupt kein Interesse an Entscheidungen (Allen et al., 1997). Ein Beispiel dafür ist die oft sehr geringe Wahlbeteiligung im politischen Bereich.
  2. Angst und fehlendes Selbstbewusstsein: Innovative eigene Meinungen und neue Ideen werden oft nicht geäußert, weil Gruppen (und damit auch eine führende Person) unterschiedliche Ideen und Meinungen sanktionieren könnten. Stattdessen werden Standardlösungen vorgeschlagen, die den Erwartungen der anderen entsprechen und von den anderen Gruppenmitgliedern akzeptiert werden (vorausschauende Einstellungsänderung). Dies ist manchmal auf Vorgesetzte zurückzuführen, die möglicherweise keinen Wunsch haben, dass die Mitarbeiter diskutieren und sich beteiligen (Steers, 1977).
  3. Zu große Gruppen: Mit zunehmender Größe der Gruppe rücken immer weniger Ideen in den Vordergrund, Multiplikatoren drängen nach vorne und definieren das Problem und die Lösungen. Dabei spielt auch die Persönlichkeit eine Rolle: Introvertierte neigen dazu, Meinungen und Ideen für sich zu behalten, während extrovertierte Mitarbeiter jeden noch so kleinen Gedanken zum Ausdruck bringen.
  4. Fehlende oder schwach ausgeprägte kommunikative Kompetenzen: Die kommunikativen Kompetenzen der Teammitglieder divergieren. Einige Gruppenmitglieder sind möglicherweise nicht in der Lage, ihre Ideen erfolgreich zu vermitteln, selbst wenn diese Ideen sehr gut sind.

Es gibt auch Herausforderungen im Hinblick darauf, Akzeptanz für die qualitativ beste Lösung zu erhalten. Um etwas zu akzeptieren, ist es notwendig, dass die anderen Teammitglieder zuhören, die Lösung verstehen und sie auch politisch umsetzen wollen. Dies steht im Widerspruch zu der Tatsache, dass Gruppen in der Praxis meist bekannte Lösungen bevorzugen und selten ihr Verhalten grundlegend ändern wollen. Eine innovative und überlegene Lösung wird daher für eine Gruppenentscheidung sehr schwierig sein.
Zudem wird implizit manchmal naiv angenommen, dass jedes Gruppenmitglied nur die Interessen der Organisation und die beste Entscheidung für die Organisation verfolgt. Es besteht ein erhebliches Risiko, dass die Einzel- oder Gruppeninteressen die Entscheidung lenken, die mit den Zielen der Organisation nicht vereinbar sind.

Wie umgehen mit Gruppen und Gruppenentscheidungen?

Die Entscheidungsfindung in einem größeren Team kann gerechtfertigt sein, z.B. aufgrund mangelnder kultureller Akzeptanz von Entscheidungen, die in einer kleinen Runde oder allein getroffen werden, oder aufgrund rechtlicher und formaler Regeln. Ein Vorteil von Entscheidungen in einer Gruppe ist auch eine höhere Transparenz. Eine kollektive Entscheidung kann auch unter der Voraussetzung hilfreich sein, dass die Komplexität einer Aufgabe die Fähigkeiten eines Einzelnen übersteigt und eine bessere Lösung zu erwarten ist als für einen Einzelnen. In der Regel und auf der Grundlage der akademischen Forschungsergebnisse sollten Führungskräfte von Entscheidungen in Teams nur am Rande Gebrauch machen. Die häufige Gewohnheit, fast alles in Ausschüssen und Sitzungen mit zahlreichen Teilnehmern zu diskutieren und zu entscheiden, müssen in Frage gestellt werden. Gruppen und Teams sollten daher unter Berücksichtigung folgender Kriterien ganz bewusst zusammengesetzt werden:

Worauf bei der Zusammenstellung einer Gruppe zu achten ist

  • Homogenität vs. Diversität: Homogenität führt zu schnell zu einem gemeinsamen Konsens, ohne dass Probleme und Lösungen ausreichend durchdacht werden. Eine Gruppe sollte daher in folgenden Bereichen unterschiedlich besetzt werden:

    • Experten und Generalisten
    • Analysten und Querdenker
    • Optimisten und Pessimisten

    Wichtig ist also nicht nur die fachliche Expertise innerhalb einer Gruppe, sondern auch dass unterschiedliche Charakter innerhalb einer Gruppe vertreten sind.

  • Kommunikative Kompetenzen: Haben die Mitglieder der Gruppe ausreichend kommunikative Grundfähigkeiten? Sind sie also in der Lage Meinungen und Erklärungen ihrer Gruppenmitglieder zuzuhören?

Empfehlungen für Führungskräfte im Umgang mit Gruppenentscheidungen

Folgende Aspekte sollte die Führungskraft bei der Einbindung von Gruppenentscheidungsprozessen berücksichtigen:

  • Die Teamgröße sollte begrenzt oder reduziert werden.

  • Argumente sollten visualisiert werden. Auf diese Weise kann verhindert werden, dass beispielsweise Argumente von ranghöheren oder dominanteren Gruppenmitgliedern ignoriert werden.

  • Das rangniedrigste Mitglied stellt zunächst seine Gedanken vor, um zu verhindern, dass nur die Meinung der Person mit dem höchsten Status wiederholt wird.

  • Es wird offiziell ein Advocatus Diaboli bestimmt der die Aufgabe hat, immer die Risiken einer Entscheidung aufzuzeigen und die gegnerische Position zu vertreten.

  • Ähnlich wie ein Fussballtrainer auch das einzelne Gespräch mit den einzelnen Spielern sucht, sollte eine Führungskraft nicht nur die Gruppe als eigenes System betrachten, sondern auch die einzelnen Teammitglieder im Blick haben. Bei Bedarf sollte er einzelne Teammitglieder zur Seite nehmen und mit ihnen sprechen.

  • Eine weitere Möglichkeit, die Stärken von Einzelpersonen und Teams zu kombinieren, ist die Präsentation der Vorschläge der jeweiligen Experten im Team. Diese können diskutiert werden um so Verbesserungsvorschläge zu entwickeln. So können auch Geschwindigkeit, Qualität und Akzeptanz verbessert werden.

Führungskräfte müssen ein starkes Bewusstsein für Verhaltensmuster innerhalb der Gruppe entwickeln, die auf abwegige Gruppenentscheidungsprozesse hindeuten. Folgende vier Charakteristika sind besonders zu beachten:

  • Annahmen werden nicht mehr in Frage gestellt, sie werden als Alternativen gesetzt und sind für weitere Denk- und Diskussionsprozesse tabuisiert.

  • Zweifler und Andersdenkende werden unter Druck gesetzt und sanktioniert.

  • Die Gruppenmitglieder wagen es nicht mehr, ihre unterschiedlichen Meinungen zu äußern.

  • In der Gruppe entsteht durch die vorherigen drei genannten Punkten die Illusion, dass alle einer Meinung sind.

Quellen

  • Allen, R. E., Lucero, M. A., & Van Norman, K.,L. (1997). An examination of the individual’s decision to participate in an employee involvement program. Group & Organization Management, 22(1), pp. 117-143. 

  • Betsch, T, & Glöckner, A 2010, ‚Intuition in judgment and decision making: Extensive thinking without effort‘, Psychological Inquiry, 21, 4, p. 279-294, Scopus®, EBSCOhost, viewed 15 February 2017.

  • Osmani, J. (2016) Group decision-making: Factors that affect group effectiveness. Academic Journal of Business, 2(1), pp. 23-38.

  • Robbins, S.P. & Coulter, M. (2003) Decision-making: The essence of the manager’s job. [Online] Available at: http://www.unimasr.net/ums/upload/files/2012/May/UniMasr.com_7d036400da7f8a436e6fa9734f29449f.pdf (Accessed: 15 February 2020).

  • Simon, H. A. (1959) Theories of Decision-Making in Economics and Behavioral Science. The American Economic Review, 3, p. 253.

  • Steers, R. M. (1977) Antecedents and Outcomes of Organizational Commitment. Administrative Science Quarterly, 22 (1), pp. 46-56.