Wer kennt die Situation nicht: Kollegen, Freunde oder Bekannte, die sich bei einem gemütlichen Glas Bier über ihren vermeintlich an sozialer und emotionaler Intelligenz verarmten Vorgesetzten auslassen. Aber was genau ist eigentlich emotionale Intelligenz, und kann man diese überhaupt erlernen oder trainieren?

Emotionale Intelligenz ist seit Beginn der 90er Jahre Gegenstand wissenschaftlicher Forschungen. Und auch wenn es eine Vielzahl unterschiedlicher Erklärungsansätze gibt, ähneln sich die meisten Definitionen in den folgenden fünf Punkten (Dolev & Leshem, 2017):

  • Menschen mit einer hohen emotionalen Intelligenz haben die Fähigkeit Emotionen und Gefühle zu erkennen, zu verstehen und auch auszudrücken.

  • Menschen mit einer hohen emotionalen Intelligenz besitzen die Fähigkeit sich in andere Menschen hineinzuversetzen.

  • Menschen mit einer hohen emotionalen Intelligenz sind in der Lage ihre Emotionen zu kontrollieren.

  • Menschen mit einer hohen emotionalen Intelligenz sind in der Lage mit Veränderungen konstruktiv umzugehen, sowie sich Problemen auf persönlicher und zwischenmenschlicher Ebene anzupassen und zu lösen.

  • Menschen mit einer hohen emotionalen Intelligenz haben die Fähigkeit sich selbst zu motivieren.

Entsprechend dieser fünf übergeordneten Charakteristika, lässt sich auch die Definition von emotionaler Intelligenz von Bar-On einordnen.

Die emotionale Intelligenz ist ein „Querschnitt miteinander verbundener emotionaler und sozialer Kompetenzen, Fähigkeiten und Moderatoren, die bestimmen, wie effektiv wir uns selbst verstehen und ausdrücken, andere verstehen und mit ihnen in Beziehung treten und die täglichen Anforderungen bewältigen“.
Bar-On, 2006, p.14

Die fünf Schlüsselkonzepte der emotionalen Intelligenz

Die emotionale Intelligenz lässt sich fünf Schlüsselkonzepten zuordnen, die eine Führungskraft abdecken sollte:

  • Bewusstsein der eigenen Emotionen.
  • Bewusstsein der Emotionen anderer.
  • Emotionen in der Zusammenarbeit mit anderen nutzen.
  • Die Quelle der eigenen Emotionen zu verstehen.
  • Die eigenen Emotionen zu managen/ kontrollieren.
Die fünf Schlüsselkonzepte der emotionalen Intelligenz

Die Aufschlüsselung der emotionalen Intelligenz in die einzelnen Fähigkeiten

Die fünf Schlüsselkonzepte erfordern unterschiedliche Fähigkeiten und Eigenschaften, die sich in die fünf Dimensionen intrapersonelle Fähigkeiten, interpersonelle Fähigkeiten, Stressmanagement, Anpassungsfähigkeit und allgemeines Gemüt einordnen lassen (Park & Faerman, 2018):

Intrapersonelle Fähigkeiten

Die fünf Schlüsselkonzepte erfordern unterschiedliche Fähigkeiten und Eigenschaften, die sich in die fünf Dimensionen intrapersonelle Fähigkeiten, interpersonelle Fähigkeiten, Stressmanagement, Anpassungsfähigkeit und allgemeines Gemüt einordnen lassen (Park & Faerman, 2018):

  • Selbstachtung: Sich selbst genau wahrnehmen, verstehen und akzeptieren.

  • Emotionale Selbstwahrnehmung: Sich der eigenen Emotionen bewusst zu sein und sie zu verstehen.

  • Durchsetzungsvermögen: Die Fähigkeit die eigenen Emotionen und sich selbst effektiv und konstruktiv auszudrücken.

  • Unabhängig: Selbstständig und frei und emotional unabhängig von anderen zu sein.

  • Selbstverwirklichung: Das Streben nach persönlichen Zielen und der Realisierung des eigenen Potenzials.

Interpersonelle Fähigkeiten

  • Empathie: Sich bewusst sein und verstehen, wie andere sich fühlen.

  • Soziale Verantwortung: Sich mit der eigenen sozialen Gruppe zu identifizieren und mit anderen zusammenzuarbeiten.

  • Zwischenmenschliche Beziehungen: gegenseitig befriedigende Beziehungen aufzubauen und eine gute Beziehung zu anderen aufzubauen.

Stressmanagement

  • Empathie: Sich bewusst sein und verstehen, wie andere sich fühlen.

  • Impulskontrolle: Emotionen effektiv und konstruktiv kontrollieren.

Anpassungsfähigkeit

  • Realitätsprüfung: Die eigenen Gefühle und das Denken mit der äußeren Realität objektiv zu validieren.

  • Flexibilität: Die eigenen Gefühle und Gedanken an neue Situationen anzupassen und anzupassen.

  • Problemlösung: Effektive Lösung von Problemen persönlicher und zwischenmenschlicher Natur.

Allgemeines Gemüt

  • Optimismus: Positiv zu sein und die positivere Seite des Lebens zu betrachten.

  • Glück: Sich mit sich selbst, anderen und dem Leben im Allgemeinen zufrieden zu fühlen.

Ist emotionale Intelligenz erlernbar?

Emotionale und soziale Intelligenz lässt sich zumindest bis zu einem gewissen Grad erlernen. Da es sich bei emotionaler und sozialer Intelligenz aber um ein Geflecht bestehend aus unterschiedlichsten Fähigkeiten handelt, können nicht alle Fähigkeiten gleichermaßen gut erlernt werden. Empathie beispielsweise wird auf neuronaler Ebene durch die sogenannten Spiegelneurone ermöglicht, die sich je nach genetischer Vorgabe und (frühkindlicher) Erziehung ausbilden, nicht aber mehr im Erwachsenenalter.

Eine verbindende und somit entscheidende Komponente der emotionalen Intelligenz ist jedoch die Selbstwahrnehmung. Hier gibt es kein „richtig“ oder „falsch“, sondern nur wie man sich selbst wahrnimmt, und wie man von seinem Umfeld/ seinen Mitarbeitern wahrgenommen wird. Für die Entwicklung der Selbstwahrnehmung und somit der Stärkung der emotionalen Intelligenz empfehlen sich folgende drei Tipps:

Imagination is more important than knowledge.

Albert Einstein, 2015, p.1

Selbstwahrnehmung verbessern

  • Feedback einholen: Entscheidungen und Kommunikation auf der Grundlage der eigenen Selbstwahrnehmung kann schnell als Ausdruck fehlender emotionaler Intelligenz wahrgenommen werden, wenn die Mitarbeiter eine komplett andere Wahrnehmung von ihrem Vorgesetzten haben.
    Entscheidend ist daher, dass Feedbacks eingeholt, und auch Möglichkeiten der informellen Kommunikation geschaffen werden. Nur so ist man in der Lage das Selbstbild und Fremdbild miteinander in Einklang zu bekommen. Über solch bewusste und institutionalisierte Prozesse können Defizite im Bereich der Beobachtungsgabe und Selbstreflexion kompensiert werden.
  • Interpersonelle Kompetenzen stärken: Emotionale Intelligenz zu erlernen, oder besser gesagt zu schärfen, erfordert Training. Wenn also die Intention einer Optimierung der emotionalen Intelligenz darin liegt das Verhältnis mit den eigenen Mitarbeitern zu verbessern, dann muss auch der Kontakt mit den Mitarbeitern erhöht werden.

    Hilfreich sind hier gemeinsame Mittagessen, räumlich nicht zu weit voneinander getrennte Büros (bessere Gestaltung des Arbeitsplatzes), oder auch einfach mal das Aufsuchen persönlicher Gespräche statt ständig Emails zu versenden. Mehr Kontakt allein ist nicht ausreichend, sondern sollte mit begleitenden Kommunikations- und (psychologischen) Führungstrainings einhergehen, die auf die Förderung interpersoneller Kompetenzen ausgerichtet sind.

  • Critical Thinking: Eine erwiesener Weise hilfreiche Maßnahme zur Entwicklung der Selbstwahrnehmung als Teil der emotionalen Intelligenz, ist die Methode des kritischen Denkens.

Quellen

  • Bar-On, R. (2006) The Bar-On model of emotional-social intelligence (ESI)’, Psicothema, 18, pp. 13–25.

  • Dolev, N., Leshem, S. (2017) Developing emotional intelligence competence among teachers. Teacher Development,21(1), pp. 21-39.

  • Park, H. & Faerman, S. (2018) Becoming a Manager: Learning the Importance of Emotional and Social Competence in Managerial Transitions. American Review of Public Administration, 49(1), pp. 98-115.