“Wir müssen digitaler werden” – solche und ähnliche Sätze hört man reflexartig aus Unternehmen der unterschiedlichsten Branchen, wenn es um die Frage nach der Weiterentwicklung des Business Modells geht. Das Problem dabei ist, dass in Unternehmen Unsicherheit darüber besteht, ob für eine Digitalisierung des Geschäftsmodells ausreichende Fähigkeiten und Ressourcen vorhanden sind.
Die Gründe für diese Unsicherheit sind vielfältig. Zum Beispiel kann ein Grund sein, dass Business und IT Strategie als auch noch getrennte und nicht ineinandergreifende Silos behandelt werden, oder aber dass die entsprechenden Unternehmen noch nicht den notwendigen Grad der Digitalisierung einsehen können, mit dem auch bestehende Organisationsstrukturen und Prozesse verändert würden. Kurz: Unternehmen müssen den Grad der strategischen Relevanz identifizieren, den die Digitalisierung für das Unternehmen auf all seinen Ebenen darstellen würde.
Aus diesem Grund beschreiben Bleicher und Stanley (2016) ein Framework, mit dessen Hilfe sich das strategische Potential der Digitalisierung für die Entwicklung eines Business Modells in drei Schritten identifizieren lässt. Der erste Schritt besteht in der Entwicklung des Verständnisses des eigenen bisherigen Geschäftsmodells, der zweite Schritt dient der Identifizierung relevanter digitaler Innovationstreiber und der dritte Schritt umfasst die strategische Initiierung.
Schritt 1: Das bestehende Business Modell verstehen
Zur Vergegenwärtigung und Verständnis Vertiefung des eigenen Business Modells, ist in diesem ersten Schritt das Business Model Canvas ein geeignetes Instrument. Das Business Model Canvas setzt sich aus folgenden neun Bereichen zusammen, die wesentliche Bestandteil eines Business Models sind, und denen jeweils die relevanten Schlüsselfaktoren zugeordnet werden können:
Schritt 2: Identifizierung bestehender und potentieller digitaler Werttreiber
In diesem Schritt geht es darum die für ein Unternehmen sowohl bestehenden als auch potentiellen Werttreiber zu identifizieren, die mit der Digitalisierung einhergehen. Nur darauf zu warten, dass die richtigen Innovationsideen von allein in den Sinn kommen, ist sicherlich nicht zielführend, da in der Regel Ideen auch Ergebnis kreativer, analytischer, kognitiver und kommunikativer Prozesse sind. Parmar et al. (2014) beschreiben hierzu in einem Artikel im Harvard Business Review drei grundlegende Perspektiven bei der Suche von Ideen zur Business Innovation.
Diese drei sich aus den unterschiedlichen klassischen Ansätzen ergebenden Fragestellungen werden von den Autoren um einen weiteren Ansatz ergänzt, der sich auf die Identifizierung von Möglichkeiten fokussiert, die sich durch bereits vorhandene oder möglich zu gewinnende digitale Informationen und Tools ergeben. Hierfür haben Parmar et al. (2014) fünf Innovationsmuster entwickelt. Das erste Muster bezieht sich auf die Augmentation von Produkten, also die Nutzung von Daten, die durch physische Produkte generiert werden (z.B. Industry 4.0), um das Business Model weiterzuentwickeln. Das zweite Muster ist die Digitalisierung von Assets (z.B. e-Paper oder 3D-Druck). Hierdurch können in der Regel vor allem teure Distributionskosten gesenkt werden, aber auch Beratungsunternehmen die anderen Unternehmen helfen diese produktbezogene Transformation durchzuführen, werden in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen.
Das dritte Muster beinhaltet die Kombination, bzw. Integration von Daten, die innerhalb und außerhalb der jeweiligen Industrie generiert werden (zum Beispiel die Integration von Abrechnungsdaten, die von Arztpraxen an Krankenkassen, bzw. an kassenärztliche Vereinigungen übertragen werden.
Das vierte Muster besteht im Handel von Daten. Als Beispiel kann das Unternehmen TomTom genannt werden, das Navigationsgeräte herstellt und mit Hilfe mobiler Daten, die von Vodafone als Partner geliefert werden, den Kunden präzise Staumelden und Warnungen anzeigen. “Codifying a capability„, als fünftes Muster bedeutet, dass ein Unternehmen einen “best-in-class” Prozess beispielsweise über die Cloud an an andere Unternehmen weiterverkaufen kann.
Auf Basis dieser scheinbar simplen Muster können beispielsweise Berater gemeinsam mit ihren Kunden an der Optimierung des Business Modells arbeiten. Hierfür sollten zuerst folgende Fragen gestellt werden, bevor Detailfragen zu jedem der fünf zuvor beschriebenen Muster gestellt werden:
Als nächstes werden für jedes der genannten Muster Detailfragen gestellt und geklärt:
Augmentation von Produkten
Digitalisierung von Assets
Kombination, bzw. Integration von Daten
Handel von Daten
Codifying a capability
Entscheidend ist, dass die Fragen gemeinsam mit den jeweils relevante Abteilungen oder Unternehmensbereichen bearbeitet, und die daraus gewonnenen Ideen priorisiert werden. Gegebenenfalls müssen Ideen nochmal gesondert und im Detail weiter ausgearbeitet werden.
Schritt 3: Strategische Ableitung
Die strategische Ableitung sollte optimaler Weise die Anwendung der sogenannten “Blue Ocean Strategie” beinhalten. Die Kernaussage der Blue Ocean Strategie besteht darin, dass sich Unternehmen nicht an Märkten mit hohem Wettbewerbsdruck orientieren sollten, den sogenannten “Red Oceans”, sondern vielmehr versuchen müssen eigene, bzw. neue Märkte zu kreieren (“Blue Oceans”). Auf diese Weise müssen keine Ressourcen für einen harten Wettbewerbskampf vergeudet werden. Damit gehen theoretisch zwei Vorteile einher: Zum einen wird die Kostenstruktur optimiert, und zum anderen differenziert sich durch diesen Ansatz ebenso auch eine Value Proposition.
Ein wesentlicher Bestandteil der Philosophie hinter der Blue Ocean Strategie ist das sogenannte ERRC-Raster, ein Akronym, das für Eliminate, Reduce, Raise und Create steht.
Fazit
Die drei Schritte ermöglichen somit nicht nur die Erarbeitung einer Strategie, sondern zugleich auch die Erarbeitung eines Implementierungskonzeptes. Das bedeutet also, dass durch diese Schritte Strategie und Organisation miteinander verbunden werden können. Das integrierte Framework, das aus den beschriebenen drei Schritten besteht um die strategische Relevanz der Digitalisierung für das eigene Unternehmen besser ausschöpfen zu können, lässt sich zusammenfassend wie folgt darstellen: