Was und warum kann man von Christoph Kolumbus – dem Seefahrer des 15. Jahrhunderts – über digitale Transformationen lernen? Nun, ebenso wie Christoph Kolumbus mit seinem Schiff aufbrach um eine schnellere Route nach Indien zu finden, ohne überhaupt zu wissen ob eine solche Route existierte, suchen Unternehmen nach neuen und unbekannten (digitalen) Wegen. Der Unterschied zwischen Christoph Kolumbus und vielen heutigen Unternehmen ist, dass Kolumbus die Unsicherheit akzeptierte und Teil seines Handelns hat werden lassen. Wie auch hätte er sich der Route sicher sein können, wenn noch niemand zuvor die unbekannten Gewässer hin zu einem nicht kartographierten und noch nahezu unbekannten Land gefahren ist?

Ziele sind ungleich Visionen

Das Problem ist, dass Unsicherheiten besonders in europäischen Unternehmen als Schwächen und Fehler verschrien werden, und stattdessen Soll-Definitionen den Eindruck von Planbarkeit und somit von Kontrolle vermitteln. Unternehmen setzen also eine Stabilität des Systems in dem sie operieren voraus, wobei Unternehmensumfelder durch die Digitalisierung alles andere als stabil sind.

Zielwerte sind in diesem Zusammenhang somit Projektion der aktuellen Bedingungen auf die völlig unbekannte Zukunft, die lediglich voraussetzt, dass eine Entwicklung stabil und somit planbar ist.

Für Christoph Kolumbus war die ständige Bewegung das einzig mögliche bestimmbare Ziel, und der Glaube an eine schnellere Route war die treibende Faszination und Vision. Visionen sind somit nicht zu verwechseln mit messbaren Zielen, und sind also auch nicht anhand von Key Performance Indicators hinsichtlich des Zielerreichungsgrads zu überprüfen. So hat Kolumbus Indien trotz seiner Absichten nicht erreicht, dafür aber weit aus mehr geschaffen, er hat Amerika entdeckt und damit das Tor zu einer neuen Welt geöffnet.

Visionen dienen vor diesem Hintergrund als emotionale Grundlage, die den Unternehmen und ihren Mitarbeitern Orientierung, gedankliche, strategische und operative Freiheitsgrade ermöglicht – und somit die heutzutage so oft zitierte „Agilität“.

Instabilität ist notwendig für Innovation und Veränderungen

Was bedeutet das für Unternehmen im Kontext der digitalen Transformation? Die Störung eines bestehenden Systems (und damit einhergehend also auch jegliche Routinen und Denkmuster) ist eine notwendige Voraussetzung für den Erfolg von Veränderungen und damit für den Erfolg einer digitalen Transformation. Bestehende stabile Muster müssen zugunsten der Dynamik eines selbstorganisierenden Unternehmens aufgebrochen werden. Denn Stabilität und Ordnung, nach der Systeme ihrer Natur nach immer streben, machen das System, bzw. Unternehmen handlungsunfähig, während nur Instabilität dem Unternehmen die notwendigen Freiheitsgrade gibt um Kreativität, Innovation, Veränderung und damit digitale Transformation zu ermöglichen. Konkret bedeutet dies, dass Unternehmen Störungen im Zuge der digitalen Transformation als grundlegende Handlungsimpulse akzeptieren müssen und nicht ablehnen dürfen. Bestehende Muster, die sich durch vorherrschende Denkmuster, formale Strukturen, operative Routinen sowie strenge Regeln und Vorschriften etabliert haben, müssen daher aktiv destabilisiert werden, sonst ist ein Übergang zu einem neuen Muster nicht möglich und damit auch keine digitale Transformation. Um diese Destabilisierung zu ermöglichen bedarf es dem Aufbau von Netzwerken, mit denen die Resonanzfähigkeit erhöht wird. Für einen solchen Aufbau sind entsprechende IT Systeme notwendig, grundsätzlich dezentrale Strukturen, eine Vision die vom Management und den Führungsebenen getragen werden und somit auch Top-Down entwickelt werden muss, sowie eine entsprechende Unternehmenskultur.

Netzwerke erhöhen die Resonanzfähigkeit

Störungen müssen durch Netzwerke in dezentralen Strukturen, eine unterstützende Unternehmenskultur auf der Grundlage von Transparenz, gemeinsamen Werten und einer gemeinsamen Vision sowie durch IT-Systeme erleichtert werden, die einen horizontalen und vertikalen Austausch von Informationen und Wissen ermöglichen, und um somit auch Resonanzfähigkeit innerhalb der Organisation zu erhöhen.

Bestehende Muster, die sich durch vorherrschende Denkmuster, formale Strukturen, operative Routinen sowie strenge Regeln und Vorschriften etabliert haben, müssen daher aktiv destabilisiert werden, sonst ist ein Übergang zu einem neuen Muster nicht möglich und damit auch keine digitale Transformation.

Werte, Visionen und emotionale Verbindungen/ Identifikationen mit der Organisation können als Voraussetzung für das durchbrechen bestehender Muster angesehen werden, da diese Faktoren als treibende Kraft für Veränderungen wirken.

Für die Effektivität eines selbstorganisierenden Unternehmens, d.h. für die Fähigkeit des Unternehmens, seine eigene Dynamik zu entwickeln, ist die Einbeziehung der Mitarbeiter Voraussetzung. Das bedeutet nicht nur Empowerment, sondern auch aktiven Austausch, der das wichtigste Merkmal eines Netzwerks ist. Für traditionelle Unternehmen führt dies zu der Empfehlung, den Fokus vom Aufbau und Erhalt formaler Organisationsstrukturen auf dezentrale und informelle Strukturen zu verlagern. Die Mitarbeiter müssen mehr Verantwortung und mehr Freiraum erhalten sich kreativ in strategische Lösungsprozesse zu integrieren. Dies erfordert vom Management einen Verzicht auf das Selbstbild eines allwissenden Führers der mehr Wissen und Einsicht hat als seine Mitarbeiter, zu jeder Zeit und zu jedem Thema. Unterschiedliche Meinungen und Perspektiven müssen nicht nur akzeptiert, sondern auch gefördert werden, um bestehende Muster zu durchbrechen, auch wenn es um das feste Muster des eigenen Selbstbildes geht.

IT als Teil der lernenden Organisation

Auch beim Aufbau dezentraler Netzwerke spielen IT-Systeme eine wichtige Rolle: Beispielsweise sollten Unternehmen IT-Systeme einsetzen, die es den Mitarbeitern ermöglichen, ihr Expertenwissen abteilungsübergreifend zu kommunizieren. Das bedeutet, dass der Informationsfluss nicht auf der formalen Organisationsstruktur basieren darf, sondern darauf, wann und wo der Informationsbedarf entsteht, so dass jeder Mitarbeiter die Informationen immer und überall erhalten kann.

Dies bedeutet auch, dass entsprechende IT-Systeme nicht nur dem reinen direkten Informationsaustausch dienen müssen, sondern auch der Speicherung und Weitergabe von explizitem und implizitem Wissen als Teil einer Lernorganisation. Gerade dafür ist eine Unternehmenskultur notwendig, in der die Mitarbeiter die Sicherheit und emotionale Anreize erhalten, ihr Wissen offen zu teilen. Eine klare Vision und das Bekenntnis zu gemeinsamen Werten sind dafür ebenso Voraussetzung wie eine gelebte Fehlerkultur und ein entsprechendes Führungsverhalten.

Um die organisatorischen Voraussetzungen für eine digitale Transformation zu schaffen, genügt also weder die bloße isolierte Entwicklung einer entsprechenden Unternehmenskultur noch die bloße isolierte Implementierung entsprechender IT-Systeme, sondern beide Faktoren müssen als synergistisch betrachtet werden. Neben dieser synergetischen Beziehung zwischen IT und Kultur muss auch die IT-abhängige Systemagilität berücksichtigt werden, da strategische und strukturelle Veränderungen auch den Informationsbedarf verändern können, und trotz dieser dynamischen Veränderungen muss sichergestellt sein, dass Mitarbeiter und Abteilungen immer einen effizienten Zugriff auf die benötigten Informationen haben.

IT-abhängige Systemagilität bezieht sich daher auf die Fähigkeit der Organisation, notwendige Änderungen an Informationssystemen mit Hilfe von Systementwicklungen, Systemimplementierungen, Systemänderungen und Systemwartungen vorzunehmen. Daraus ergibt sich die notwendige Verzahnung von IT-, Business- und HR-Strategie sowie die grundsätzliche Frage nach der richtigen Sourcing-Strategie.