Im betriebswirtschaftlichen oder unternehmerischen Kontext ist der Begriff “Digitale Transformation” eng mit der Nutzung einzelner emergenter Technologien wie Industry 4.0, Big Data oder Blockchain verbunden. Dabei ist die Digitale Transformation nicht die bloße Übersetzung analoger Dienstleistungen, Produkte, Prozesse oder Geschäftsmodelle in die jeweils entsprechende digitale Form.
Unternehmen mit einer erfolgreichen Digitalisierung sehen Technologie nicht als statischen Zielzustand, wie die bloße Digitalisierung des Geschäftsmodells oder die Automatisierung von Produktions- und Dienstleistungsprozessen, sondern setzen Technologie zur Unterstützung von Transformations- und Digitalisierungsprozessen ein. Dazu gehören IT-Lösungen für die interne und externe Kommunikation, Wissensmanagement, Strategieentwicklung oder strategische Foresight-Prozesse.
Digitalisierung umfasst daher nicht nur die Dimension der Technologie, sondern auch die Strategie, das Organisationsdesign und die Unternehmenskultur.
Digitale Transformation kann als der „kontinuierliche Prozess definiert werden, durch den sich Unternehmen an die Veränderungen ihrer Kunden und Märkte (externes Ökosystem) anpassen oder diese vorantreiben, indem sie digitale Kompetenzen nutzen, um neue Geschäftsmodelle, Produkte und Dienstleistungen zu schaffen“.
Digitale Transformation in Unternehmen: Kurz zusammengefasst
Ganzheitliches Zusammenspiel von vier Dimensionen
Die digitale Transformation ist kein zeitlich begrenzter Prozess. Vielmehr handelt es sich bei der digitalen Transformation in Unternehmen um ein ganzheitliches Zusammenspiel der vier Dimensionen:
Digitale Transformation ist somit eine organisationsumfassende Thematik und darf somit nicht als ein technologisches Silo verstanden werden.
In diesem Sinne definieren auch Goerzig und Bauernhansl (2018) „Transformation“ im unternehmerischen Kontext als eine grundlegende Veränderung, bei der sich Unternehmen neu erfinden. Das ist aber leichter gesagt als getan, da eine Organisation als System immer nach Stabilität und Orientierung strebt, eine Transformation aber eben genau den Aufbruch dieser Ordnung erfordert. Nur durch das bewusste Erzeugen von Instabilität kann eine Organisation von einer makroskopischen Ordnung zur nächsten (digital transformierten) Ordnung zu gelangen. Als Grundvoraussetzung für alle Veränderungsprozesse und damit auch für die digitale Transformation ist organisatorische Selbstreflexion, also auch die Fähigkeit der Entkoppelung von bestehenden Denkmustern, die unter anderem durch Routinen operativer Prozesse entstehen.
Die Ebenen der digitalen Transformation
Azhari et al. (2014) führen mit Hilfe ihres Maturity Models folgende neun Bereiche auf, innerhalb derer die digitale Transformation stattfinden muss:
Die einzelnen Dimensionen der digitalen Transformation können und dürfen nicht isoliert voneinander betrachtet werden, sondern müssen im Rahmen der digitalen Organisation miteinander synchronisiert sein. Und genau die sich daraus ergebende Komplexität sowie entsprechende Wechselbeziehungen erfordern einen holistischen, systemischen Ansatz für eine erfolgreiche digitale Transformation (Heavin & Power, 2018).
Es ist gerade das fehlende Verständnis der Zusammenhänge der einzelnen Elemente, sowie die fehlende Agilität, weshalb Organisationen mit ihrer digitalen Transformation scheitern. Auch Perry Hewlitt, CDO an der Harvard University, betont, dass Agilität wichtiger sei als technologische Fähigkeiten (Kane et al., 2015) und unterstreicht somit die Bedeutung von Agilität im Rahmen der digitalen Transformation.
Studien zeigen ebenso, dass digital erfolgreiche Unternehmen Technologien nutzen um Agilität und Veränderungen der Funktionsweisen des Business zu ermöglichen, während weniger erfolgreiche digitale Unternehmen Technologien nutzen um einzeln voneinander getrennte Business Probleme zu lösen, ohne die Organisation selbst mit Hilfe von Technologie zu transformieren (Hirt & Willmott, 2014, Schmidt et al., 2016).
Das bedeutet, dass die Komplexität der Organisation als Gegenstand der digitalen Transformation nicht durch die Einzelbetrachtung der jeweiligen Elemente trivialisiert werden darf. Der Erfolg der digitalen Transformation in Unternehmen liegt in der dynamischen Betrachtung des Zusammenspiels der einzelnen Dimensionen (Technik, Kultur, Strategie, Organisationsdesign, Prozesse, Governance, Mitarbeiter, Führung).
Das Zusammenspiel aus Technik, Strategie, Struktur und Kultur auf einem Blick
Die folgende Grafik ist entnommen aus der Studie „Aligning Strategic Enablers For Accelerating Digital Transformation“ (Richter, 2018). Sie zeigt zusammenfassend die Zusammenhänge zwischen dem Grad der Digitalisierung und den vier Faktoren Strategie, Organisationsstruktur, IT und Kultur sowie die synergetischen Verbindungen zwischen diesen vier Faktoren auf.

Warum scheitern viele digitale Transformationen?
Der Druck digital zu werden führt dazu, dass Unternehmen Dinge schnell überstürzen und den zuvor beschriebenen Aspekt des systemischen Zusammenhangs nicht berücksichtigen, bzw. nicht verstehen oder erkennen. Neben diesem oft zu beobachtbaren Aktionismus und dem trivialen Verständnis von digitaler Transformation für das Unternehmen zählen auch folgende Kriterien, die in der Regel einander bedingen, zu den Hauptgründen für scheiternde und verlangsamte digitale Transformation innerhalb von Unternehmen:
Das Hauptproblem ist oft nicht das Ausmaß der Erneuerung, das mit einer digitalen Transformation einhergeht, sondern vielmehr die Unfähigkeit eines Unternehmens außerhalb seiner bisherigen (gewohnten) operierenden Umgebung zu funktionieren. Man könnte auch sagen, dass die Notwendigkeit zur digitalen Transformation gleichermaßen auch der Grund ist, der Unternehmen an eben dieser digitalen Transformation hindert. Denn eine digitale Transformation ist sozusagen der Übergang von einem Ordnungsmuster der Organisation in ein neues Ordnungsmuster. Das Problem hierbei ist, dass eine Organisation immer nach Stabilität strebt, der Übergang zwischen dem alten und neuen Ordnungsmuster, also Change, aber Flexibilität und Instabilität auf den unterschiedlichen Ebenen erfordert.
Erschwerend kommt hinzu, dass neben dem notwendigen Wandel der digitalen Transformation oft auch eine Stabilität beibehalten werden muss, beispielsweise wenn ein bestehendes Business Modell trotz eines geplanten ergänzendem digitalen Geschäftsmodells bestehen bleiben soll. Hieraus ergeben sich ebenfalls auf unterschiedlichen Ebenen Spannungen, die zu einer Lähmung der digitalen Transformation führen können.
Je nach Strategie handelt es sich beispielsweise um eine Exploitation, also um die Weiterentwicklung und Ausschöpfung bestehender Werte, oder um eine disruptive Exploration. Unternehmen müssen entsprechend dieser beiden unterschiedlichen Orientierungen, die häufig aber auch parallel laufen müssen, ihre interne Organisation ausrichten um die aus den jeweiligen Strategien resultierenden Spannungen zu lösen. In der Regel empfehlen sich für explorative Vorhaben, die in der Regel völlig losgekoppelt vom bisherigen Geschäftsmodell sind, unabhängige Strukturen, beispielsweise in Form eines Corporate Startups.
Die Dimension IT
Die kritische Selbstreflexion ist nicht nur Startpunkt des Strategieentwicklungsprozesses im Rahmen der digitalen Transformation in Unternehmen, sondern auch Beginn des systemischen Zusammenspiels von Organisationsdesign, Technik, Kultur und Strategie. So werden IT-Systeme benötigt um unternehmensexterne und unternehmensinterne Daten zu sammeln, zu verarbeiten, auszuwerten und dort zur Verfügung zu stellen, wo sie benötigt werden. Eine unzureichende Unternehmenskultur kann aber verhindern, dass die IT-Systeme akzeptiert, genutzt oder verstanden werden. Weiterführende Informationen hierzu gibt es in den Artikeln „Lernende Organisation“, „Wie baut man eine lernende Organisation auf“ und „Wissensmanagement kurz erklärt“.
Die Dimension Kultur
Kultur ist eine wesentliche Voraussetzung für den effizienten Einsatz von IT im Rahmen von Organisationsprozessen. IT kann den Informationsaustausch und gewisse Prozesse erleichtern, aber zunächst ist eine Organisationskultur erforderlich, in der die Mitarbeiter motiviert sind und das Vertrauen in das Unternehmen und in die Führung haben, diese Technologien auch zu nutzen.
Ebenso ist als Teil der Unternehmenskultur eine Fehlerkultur erforderlich, die es dem Unternehmen ermöglicht, kreative Prozesse und Ideen auszuprobieren, auch wenn die erwarteten Erfolge alles andere als sicher sind. Bestehende Muster, die sich durch vorherrschende Denkmuster, formale Strukturen, Betriebsabläufe und strenge Regelwerke etabliert haben, müssen daher aktiv destabilisiert werden, da sonst ein Übergang zu einem neuen Muster nicht möglich ist und somit auch keine digitale Transformation innerhalb des Unternehmens stattfinden kann. Digitale Transformation in Unternehmen bedeutet nicht nur Unsicherheit akzeptieren zu müssen, sondern sogar Instabilität und somit Unsicherheit bewusst zu erzeugen.
Die Dimension Organisationsdesign
Ein sehr hoher Grad an Formalisierung und Zentralisierung, der unter anderem auch stark mit der Unternehmenskultur zusammenhängt, hat einen wesentlich Einfluss auf die Informationsflüsse innerhalb des Unternehmens. In Unternehmen mit einem hohen Zentralisierungsgrad und einer stark hierarchisch geprägten Organisationsstruktur, werden Daten und Informationen nur unzureichend zugänglich gemacht, kommuniziert und genutzt. Interdivisionale Transparenz, der Aufbau einer lernenden Organisation und somit auch letztlich die Durchführung einer digitalen Transformation scheitern häufiger an falschen Strukturen und unzureichenden Organisationskulturen, als an der Technologie.
Die Dimension Strategie
Der Prozess der Strategieentwicklung im Rahmen der digitalen Transformation muss aus systemischer Sicht erfolgen, und nicht mehr im klassischen „Rational Choice“ Sinne. Das bedeutet, dass für die Strategieentwicklung eine Entkopplung von bestehenden Prozessen, Strukturen, Routinen und Denkmustern notwendig ist. Um das zu ermöglichen bedarf es einer entsprechenden Organisationsstruktur, Organisationskultur und auch einer entsprechenden IT-Struktur.
Hinterlassen Sie einen Kommentar