„Organizational culture describes the environment in which people work and the influence it has on how they think, act, and experience work.“

Warrick et al. (2016)

Naranjo-Valencia et al. (2016, S. 32) definieren Organisationskultur, oder auch Unternehmenskultur, als die gemeinsamen Werte, Überzeugungen und verborgenen Annahmen, die die Mitglieder einer Organisation verbinden. Costanza et al. (2016, S. 361) stellen fest, dass die Unternehmenskultur eine „kritische Ressource für Organisationen ist, um sich an dynamische Umgebungen anzupassen und langfristig zu überleben“. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Unternehmenskultur als eine indirekte Variable verstanden wird. Das bedeutet, dass sie nicht direkt, sondern nur durch bestimmte systemische Rahmenbedingungen beeinflusst werden kann. Dazu gehören nach Meyer et al. (2010) u.a. Führung, Strategie und Organisationsstruktur.

Unternehmenskultur: Kurz zusammengefasst

  • Definition: Eine Unternehmenskultur verbindet Mitarbeiter durch gemeinsame Werte, Überzeugungen und Annahmen.

  • Systemisches Zusammenspiel: Unternehmenskultur ergibt sich maßgeblich durch das Zusammenspiel aus Führung, Strategie und Organisationsstruktur.

  • Ziele: Mitarbeiter weiterentwickeln, Lernmöglichkeiten schaffen, konstruktive Spannungen fördern.

  • Strategie und Kultur: In digitalen Unternehmen werden Mitarbeiter stärker in Strategieprozesse eingebunden als Mitarbeiter in traditionellen Unternehmen.

Ziele einer Unternehmenskultur

Die Ziele der Unternehmenskultur sind vielfältig. Die grundlegendsten sind das schaffen Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten für Mitarbeiter, sowie die Möglichkeit konstruktive Spannungen zuzulassen und sie sogar auch zu fördern.

Lern- und Entwicklungsraum ermöglichen

Eines der grundlegendsten Anliegen einer gesunden Organisationskultur ist das Sammeln und Teilen von Wissen und damit der Aufbau einer lernenden Organisation. Dies bezieht sich eher auf informelles Lernen als auf formelle Weiterbildungsprogramme. Häufig wird es jedoch durch interne Widerstände erschwert, z. B. aufgrund fehlender unterstützender Kultur, fehlender Kommunikation und fehlender technischer Infrastruktur (Sezgin et al., 2010).

Darüber hinaus wird implizites Wissen und Lernen, obwohl es ein enormer Wettbewerbsvorteil und eine Notwendigkeit für agile Unternehmen ist, häufig unterschätzt, da es nur ein immaterieller Vermögenswert ist, der nicht in der Bilanz aufgeführt wird (Thoene & Buszko, 2014). Doch genau hier entsteht der Bedarf an einer Unternehmenskultur, die informelles Lernen fördert. Lernen kann Unsicherheit verringern und das Vertrauen in die Entscheidungsfindung auf der Grundlage neuer Erkenntnisse verbessern. Informelles Lernen fördert die kognitive Entkopplung von bewährten Denkmustern für alle Personen, die an digitalen Transformation oder sonstigen Veränderungsprozessen direkt und indirekt beteiligt sind.

Spannungen fördern – nicht Uniformität

Kreativität und Innovationsfähigkeit der Mitarbeiter kann nur indirekt gefördert werden, indem entsprechende Freiräume geschaffen werden (Volkema, 2010). Das bedeutet, dass eine Organisation als System keinen assimilierenden Charakter haben sollte, sondern internen Spannungen konstruktiv fördert und erlaubt. Denn Spannungen selbst stellen einen instabilen Zustand dar, der der Organisation die Möglichkeit des Übergangs zu einem neuen Muster bietet. Veränderung und Stabilität schließen sich einander aus, Veränderung benötigt Instabilität bestehender Strukturen, Prozesse und Denkmuster.

Es geht also nicht um die Schaffung organisatorischer Einheitlichkeit im Rahmen von Veränderungsprozessen wie der digitalen Transformation, sondern um das Gegenteil. Es geht darum dem Wesen eines Systems/ eines Unternehmens, nämlich dem Streben nach Stabilität, entgegenzuwirken. Gerade im Zeitalter der Digitalisierung ist das organisatorische Umfeld zunehmend von extremer Komplexität geprägt, wodurch das Streben nach Stabilität sehr hoch ist und zugleich das bewusste Erzeugen von Instabilität für notwendige Veränderungsprozesse sehr gering. Das ist eines der größte Dilemma von Systemen/ Unternehmen.

Gemäß Ashby’s Law ist überall dort, wo ein hochdynamisches und komplexes Problemsystem existiert, wie zum Beispiel die Digitalisierung für Unternehmen, ein ebenso komplexes Lösungssystem erforderlich (Ning & Tanriverdi, 2017). Nach Cunha und Rego (2010) kann der Komplexität der Digitalisierung von Organisationen durch den Aufbau von Netzwerken begegnet werden. Denn Netzwerke tragen dazu bei, dass kommunikative Rückkopplungseffekte nicht mehr linear und damit isoliert von anderen Meinungen, Informationen und Ideen erfolgen. Bestehende stabile Muster, wie z.B. gemeinsame Annahmen, können so aufgelöst werden. Die Notwendigkeit der Abkehr vom Denken in isolierten Silos im Rahmen der Organisationsstruktur wird deutlich und damit auch die Notwendigkeit, wie Islam et al. (2015) betonen, einer konsistenten Sichtweise von Organisationsstruktur und Organisationskultur.

Der systemische Zusammenhang zwischen Kultur, Strategie, IT und Organisationsstruktur

Eines der zentralen Anliegen einer guten Unternehmenskultur besteht darin, implizites Wissen der Mitarbeiter zugänglich und teilbar zu machen. In diesem Zusammenhang ist der Aufbau von Netzwerken sehr wichtig, die einen multilateralen Kommunikationsaustausch innerhalb des Unternehmens zulassen und fördern. Hierbei ist es vor allem wichtig unterschiedliche Meinungen zuzulassen, was notwendig ist um Routinen und bestehende Denkmuster und somit auch Scheinwahrheiten zu durchbrechen und um somit Veränderungen durchführen zu können. Mehr zu diesem Thema gibt es >>hier<<.

Der Zusammenhang von Unternehmenskultur und Strategie

Die Strategieentwicklung ist besonders im Rahmen der digitalen Transformation und sonstigen Veränderungsprozessen ein sehr entscheidender Prozess, allerdings, so Ahmadi et al. (2012), scheitern die meisten Strategien weniger aufgrund ihrer Entwicklung, sondern aufgrund der Strategieimplementierung. Ein wesentliches Konstrukt ist hier das Involvement (Warrick, 2017):
Hierunter ist die Fähigkeit des Unternehmens und somit der Führungskräfte und des Managements gemeint, die Mitarbeiter in unterschiedliche Aktivitäten einzubinden.

Das geht mit dezentralen Strukturen, Empowerment, Gruppenorientierung und Ressourcenentwicklung einher, was zum einen die Strategie betrifft, vor allem aber auch die Weiterentwicklung und Weiterbildung bestehender Mitarbeiter. Es lassen sich zwei wesentliche Gründe für die Notwendigkeit von Involvement als Teil der Unternehmenskultur im Rahmen der digitalen Transformation nennen:

  • Erstens: Werden Mitarbeiter nicht in einen Transformationsprozess mit einbezogen, kann daraus Verunsicherung, Angst und somit auch Reaktanz resultieren, die den ganzen Transformationsprozess blockiert.
    Ein bekanntes Beispiel hierfür ist der Pharma-Großhändler Fox-Meyer, der aufgrund einer gescheiterten ERP-Einführung in die Insolvenz geriet. Ein wesentlicher Grund hierfür war die rein technische Perspektive und somit die Vernachlässigung der Einbeziehung der Mitarbeiter und die außer Acht gelassene Berücksichtigung der Unternehmenskultur (Scott & Vessey, 2002). Während das ERP-System unter anderem die Prozesse im Lagerhaus automatisieren sollte, die Mitarbeiter aber im Unklaren über ihre eigene Zukunft gelassen wurden, hat sich daraus ein hohes Maß an Angst und Frustration entwickelt. Die Folge waren Kündigungen, Krankschreibungen und schlechte Performance, so dass bestehende Aufträge nicht mehr ordentlich bearbeitet werden konnten.
  • Zweitens: Der zweite Grund warum Involvement als wichtiger Bestandteil der digitalen Transformation zu sehen ist, liegt in der steigenden Komplexität innerorganisatorischer Dynamiken und technologischer Themen. Das Management kann nicht mehr allein im traditionellen Sinne alle relevanten Aspekte und Themen umfassen und verstehen, die für Veränderungsprozesse notwendig sind. Aus diesem Grund müssen Mitarbeiter mit ihrem Expertenwissen verstärkt in Entscheidungsprozesse mit eingebunden werden, und zwar auch auf strategischer Ebene.

Unternehmenskultur und Strategie in traditionellen und digitalen Unternehmen

Es besteht ein deutlicher Unterschied zwischen digitalen und traditionellen Unternehmen hinsichtlich der Frage, ob es offizielle Möglichkeiten für Mitarbeiter gibt, strategische Ideen an das Management weiterzugeben. Die Auswertung einer Befragung innerhalb der Studie „Aligning Strategic Enablers For Accelerating The Digital Transformation“ macht deutlich, dass Mitarbeiter in digitalen Unternehmen stärker in strategische Prozesse eingebunden sind und dass die Unternehmenskultur in digitalen Unternehmen viel partizipativer ist als in traditionellen Unternehmen.

Strategie und Kultur bedingen einander

Der Zusammenhang von Unternehmenskultur und IT

Eine Unternehmenskultur ist eine wesentliche Voraussetzung für den effizienten Einsatz von IT im Rahmen von Veränderungsprozessen. Issa und Haddad (2008) stellen fest, dass die IT z.B. den Informationsaustausch erleichtern kann, dass aber zunächst eine Organisationskultur erforderlich ist, in der die Mitarbeiter motiviert sind und das Vertrauen in die Organisation haben, diese Technologien zu nutzen. In diesem Zusammenhang betonen Islam et al. (2015, S. 73), dass Technologieplattformen nur die Stimulierung des Wissensflusses unterstützen können; die tatsächlichen Auswirkungen auf den Wissensaustausch seien aber „weniger sichtbar ohne einen angemessenen kulturellen und organisatorischen Kontext, in dem die Menschen ermutigt werden, ihr Wissen zu entwickeln und zu teilen“.

Auch Lindner und Wald (2011) betonen, dass die Implementierung, Nutzung und Kombination IT-gestützter Systeme dazu beiträgt, stillschweigendes Wissen in explizites Wissen umzuwandeln, was einen erheblichen Beschleuniger für die digitale Transformation einer Organisation darstellt. Die Autoren betonen aber auch die Bedeutung einer Wissenskultur, denn ohne diese können auch moderne IT-Systeme implizites Wissen nicht in explizites Wissen transformieren, was die digitale Transformation einer Organisation erheblich beschleunigt. Wissen in explizites Wissen umzuwandeln.

Damit Wissen als ernstzunehmender Treiber der digitalen Transformation verstanden und effizient in Organisationen genutzt werden kann, bedarf es nach Intezari et al. (2017) neben geeigneten IT-Systemen also auch einer geeigneten Synthese mit einer Organisationskultur, die den Einsatz dieser Systeme fördert.

Das setzt folgende Bedingungen voraus:

  • Die Förderung intrinsischer Motivation.

  • Die Schaffung einer Fehlerkultur.

  • Empowerment

  • Engagement

  • Vertrauen

  • Transparenz

Erst dann kann der Mehrwert solcher IT-Systeme erkannt werden, nicht nur für das Unternehmen, sondern auch für die Mitarbeiter selbst, was zu proaktiven Vorschlägen für Verbesserung der IT-Systeme selbst führt.

Neben der IT und der Kultur als symbiotische Einheit im Rahmen der Wissensgenerierung und des Wissensaustauschs ist die Kultur grundlegend entscheidend für die Akzeptanz und Nutzung der IT und damit für deren Effizienz und Erfolg.

Neben den emotionalen Barrieren, die z.B. durch organisatorische Defizite in Form von Angst vor Machtverlust und Angst vor Fehlern beim Aufbrechen bestehender Routinen entstehen, können Wissensdefizite IT bezogene Change Prozesse verlangsamen. Ein Mangel an Wissen kann daher die digitale Transformation verlangsamen oder sogar zum Scheitern bringen (Ćirić & Raković, 2010). IT-Schulungen sollten daher als Teil der Unternehmenskultur betrachtet werden.

Unternehmenskultur und IT in traditionellen und digitalen Unternehmen

Wie folgende Auswertung einer Befragung im Rahmen der Studie „Aligning Strategic Enablers For Accelerating The Digital Transformation“ zeigt, werden in digitalen und digitalisierten Unternehmen im Gegensatz zu traditionellen Unternehmen  IT-Systeme an die Wünsche und Anforderungen ihrer Mitarbeiter angepasst. So ist nicht nur die Agilität der IT-Systeme tendenziell höher, sondern auch die Beteiligung der Mitarbeiter an der Entwicklung und Anpassung der IT-Systeme. Die Antworten sind in dem folgenden Balkendiagramm dargestellt:

Unternehmenskultur und IT bedingen einander

Der Zusammenhang von Unternehmenskultur und Organisationsstruktur

Routinen und eingefahrene Denkweisen zu Gunsten von Veränderungen können nur durch Austausch und kreative Spannungen ermöglicht werden (hierzu auch ausschließlich der Artikel Warum Spannungsverhältnisse notwendig sind). Eine Grundvoraussetzung hierfür ist, dass die Organisationsstruktur nicht entlang isolierter Silos ausgerichtet ist, sondern sich durch ein hohes Maß an Agilität auszeichnet. Zudem muss die Unternehmensstruktur in Einklang mit der Unternehmenskultur bewusst das Zusammenkommen von unterschiedliche Meinungen und Perspektiven zu unterschiedlichen Problem- und Fragestellungen ermöglichen und fördern.

Unternehmenskultur und Organisationsstruktur in traditionellen und digitalen Unternehmen

Im Vergleich zu traditionellen Unternehmen passen sich digitale Unternehmen weitaus häufiger wettbewerbsbedingten oder anderen Veränderungen im externen Geschäftsumfeld an. Dies deutet auf ein höheres Maß an Agilität bei digitalen Unternehmen im Vergleich zu traditionellen Unternehmen hin, was die Agilität der Organisationsstruktur mit einschließt.

Digitale Unternehmen haben eine agilere Kultur und Organisationsstruktur als traditionelle Unternehmen.

Darüber hinaus fördern digitale Unternehmen stärker funktionsübergreifendes Lernen als traditionelle Unternehmen. Auch das zeigt, dass digitale Unternehmen in der Regel deutlich dezentralisiertere Strukturen haben als traditionellen Unternehmen.

Dezentrale Strukturen sind in digitalen Unternehmen stärker verbreitet als in traditionellen Unternehmen.

Unternehmenskultur messen und verstehen

Entscheidend ist, was die tatsächlichen Werte und Normen des Unternehmens sind. Nicht selten geben Führungskräfte Plattitüden aus dem guten Willen heraus von sich, um die Mitarbeiter zu motivieren. Das funktioniert natürlich nicht: Im Gegenteil: Oft merken Mitarbeiter, wenn ihr Vorgesetzter oder der CEO, Werte oder Erwartungen vorgeben, die aber nicht mit Inhalt gefüllt werden. Hieraus entsteht Unglaubwürdigkeit sowie fehlendes Vertrauen. Führungskräfte sollten daher die Fähigkeit besitzen als Beobachter zweiter Ordnung wahrzunehmen, wie die Stimmung der Mitarbeiter untereinander ist, was sie bewegt, welche Mitarbeiter Einfluss auf die Stimmung haben und wie die Führungskräfte von den Mitarbeitern selbst hinsichtlich ihres Verhaltens und ihrer Werte eingeschätzt werden.

Kritische Selbstreflexion sowie die Gabe zur Beobachtung sind daher für Führungskräfte unabdingbar.
Ein standardisiertes Vorgehen um ein Verständnis für den Status quo der eigenen Unternehmenskultur zu bekommen sind anonymisierte Fragebögen auf Basis der operationalisierten Kernwerte. Darüber hinaus ist der Denison Organizational Culture Survey ein bekannter wissenschaftlicher und anerkannter Fragebogen zur Erhebung der aktuellen Unternehmenskultur.

Quellen

  • Ahmadi, S., Salamzadeh, Y., Daraei, M., Akbari, J. (2012) Relationship between Organizational Culture and Strategy Implementation: Typologies and Dimensions. Global Business & Management Research, 4 (3/4), pp. 286-299.

  • Costanza, D., Blacksmith, N., Coats, M., Severt, J., DeCostanza, A. (2016) The Effect of Adaptive Organizational Culture on Long-Term Survival. Journal Of Business & Psychology, 31 (3), pp. 361- 381.

  • Cunha, M., Rego, A. (2010) Complexity, simplicity, simplexity. European Management Journal, 28 (2), pp. 85-94.

  • Islam, M., Hasan, I., Jasimuddin, S. (2015) Organizational culture, structure, technology infrastructure and knowledge sharing: Empirical evidence from MNCs based in Malaysia. Vine, 45 (1), pp. 67-88.

  • Naranjo-Valencia, J., Jiménez-Jiménez, D., Sanz-Valle, R. (2016) Studying the links between organizational culture, innovation, and performance in Spanish companies. Revista Latinoamericana De Psicología, 48, pp. 30-41.

  • Ning, N., Tanriverdi, H. (2017) Unifying The Role Of IT In Hyperturbulence And Competitive Advantage Via A Multilevel Perspective Of IS Strategy. MIS Quarterly, 41 (3), pp. 937-958.

  • Sezgin, Y., Kasap, N., Bozkaya, B. (2010) A Conceptual Model For Assessing Managerial Implications Of Changes In Information Technologies. Dogus University Journal. 11 (2), pp. 257-268.

  • Thoene, M., Buszko, A. (2014) Quantitative Model of Tacit Knowledge Estimation for Pharmaceutical Industry. Engineering Economics, 25 (1), pp. 40-46.

  • Volkema, R. J. (2010) Unifying Principles of Organizational Behavior. Journal Of The Academy Of Business Education, 11, pp. 70-92.

  • Warrick, D. (2017) What leaders need to know about organizational culture. Business Horizons, 60 (3), pp. 395-404.